Eine Schule, die nicht sein sollte…

Die Knappschaftsschule in „Neusalzwerk zu Rehme“ (Bad Oeynhausen) 1815-1880

Das Salzwerk zieht viele Arbeitskräfte aus nah und fern an. Gerade die Fachkräfte kommen häufig von außerhalb. Sie bringen ihre Familien mit. Und sie legen Wert auf eine umfassende Schulbildung ihrer Kinder. Dass die Rehmer Schule immer weniger ihren Ansprüchen genügt, legt ein Schreiben des damaligen Salinen-Inspektors und die im Folgejahr eingerichtete Knappschaftsschule in unmittelbarer Nähe der Saline nahe.

Zwischen Landschule und Bürgerschule

Es ist das Jahr 1814. Die Region – gerade befreit von der französischen Fremdherrschaft – befindet sich in Aufbruchstimmung. Zu der Zeit leben 39 Familien mit 104 schul- und vorschulpflichtigen Kindern auf Neusalzwerk. Der Salinen-Inspektor Meyer wendet sich an den Generalgouverneur Westfalens und den preußischen Finanzminister mit der Bitte um eine eigene Schule, wie es die nach Neusalzwerk versetzten Salinen-Mitarbeiter von anderen Salinen gewohnt seien. Er schildert die derzeitige Situation als unzumutbar, scheint aber stark zu übertreiben, wenn wir wie folgt von ihm lesen: „Die umliegenden Schulen sind so elend, dass die Kinder kaum Lesen und Schreiben darin lernen, vielweniger Zeichnen, noch wissenschaftliche Kenntnisse erwerben können. Dazu kommt, dass die nächste Schule in Rehme eine halbe Stunde von der Saline entfernt ist und eher einem Gefängnis für Missetäter als einem Gebäude ähnlich sieht, wo der Geist und die Herzen zarter Kinder gebildet werden sollen. Die in dem anliegenden Verzeichnis aufgeführten 104 Kinder wohnen auf der Saline oder nahe dabei. Nur wenige davon besuchen die Schule zu Rehme. Die übrigen wachsen ohne Bildung und Unterricht wild auf (…)“ Er ergänzt sogar noch, dass es wegen der insgesamt schlechten Schulbildung in der hiesigen Region an Handwerkern mangele, „… wogegen an liederlichen und verdorbenen Menschen ein großer Überfluss ist …“. Im Hinblick auf diese Gründe bittet Meyer um die Genehmigung einer Knappschaftsschule und legt dazu einen Finanzierungsplan vor, wie Lehrer und Schulgebäude aus eigenen Mitteln bestritten werden können. Als Schulhaus ist das derzeitige Wohnhaus der Salinenkassierers vorgesehen, das wahrscheinlich direkt auf dem Salinengelände gelegen hat. In den 1840er Jahren ist der Schulstandort südlich der Chaussee, in „Seegers Garten“. Direkt am Gebäude führt einige Jahrzehnte später die neue Bahntrasse zwischen Minden und Köln entlang.

Der Finanzminister genehmigt die Einrichtung der Schule. Es wird ein Lehrer gefunden, der am 3. Mai 1815 in sein Amt eingeführt wird und den Unterricht mit 40 bis 50 Kindern zwischen sechs und 15 Jahren beginnt. Neben dem Elementarunterricht soll besonderes Augenmerk auf Zeichnen, Mathematik und Geografie gelegt werden.

„Sturm im Wasserglase“

So schön, so gut? Tatsächlich ist alles nur nach außen in bester Ordnung. Hinter den Kulissen fängt es an zu brodeln, als der Lehrer der Rehmer Schule feststellt, dass ihm mit der Abwanderung mehrerer seiner Rehmer Schüler an die Knappschaftsschule entscheidende Einkünfte verloren gehen. Mit seiner Beschwerde an die Regierungskommission in Bielefeld weckt er darüber hinaus „schlafende Hunde“. Der Superintendent, dem das Schulwesen Ravensbergs untersteht, erfährt auf diesem Wege überhaupt erst von der neuen Schule in Neusalzwerk. Wie sich herausstellt, hatte das Salzwerk tatsächlich – und vollkommen bewusst – keinerlei Rücksprache mit der Schulbehörde genommen: „Sie hätten es durchaus nicht für nötig gehalten, ihn und die hochwohllöbliche Regierungskommission von der Schulgründung in Kenntnis zu setzen; denn wie jeder Privatmann seine eigene Schule haben dürfe, so dürfe es die Saline erst recht, ohne einen Dritten deswegen um Rat zu fragen. Im übrigen besolde ja auch die Saline ihren Lehrer aus eigenen Mitteln. Zudem besitze sie eine Verfügung der Generalverwaltung des Salz-, Berg- und Hüttenwesens …“ usw. usf. … Sein anmaßendes Auftreten und sein arroganter Schreibstil veranlassen den Rehmer Schulinspektor und Widersacher vor Ort zu der Einschätzung, dass sich das Salzamt seit jeher wie ein „Staat im Staate“ verhalten habe und Salineninspektor Meyer ein „äußerst rechthaberischer Mensch und herrischer Mann“ sei.

Ende gut – alles gut?

Anders als er dachte, fängt sich Salineninspektor Meyer jedoch auch von seiner eigenen vorgesetzten Behörde wegen seines „frechen“ Briefes einen Rüffel ein, verbunden mit der Belehrung, dass die Knappschaftsschule zweifellos in die Kategorie der Landschulen gehöre und der innere Schulbetrieb somit selbstverständlich der Aufsicht der Regierung unterstehe.

Heute müssen wir feststellen, dass sich ohne diesen schriftlich ausgetragenen Zwist noch weniger Hinweise auf die Knappschaftsschule bis in unsere Zeit erhalten hätten.

Quellen:

Corvinus, Peter: Die alte Knappschaftsschule. Aus der Schulgeschichte in der Zeit der Befreiungskriege, in: An der Weserpforte, Nr. 13 (1934), 8. Jg.