„Bittersalz und Badesalz“
Die Chemische Fabrik zu Neusalzwerk
Die Salzquellen in Oeynhausen, das damals noch Neusalzwerk hieß, ziehen nicht nur Salzsieder und heilsuchende Badegäste an. Auch Chemiker werden auf die enthaltenen Mineralien aufmerksam und versuchen sie zu neuen Wertstoffen aufzubereiten. So entsteht Anfang der 1840er Jahre gegenüber der Saline Neusalzwerk an der heutigen Mindener Straße, Ecke Steinstraße, die „Chemische Fabrik Neusalzwerk“, die innerhalb kürzester Zeit Badesalz und später weitere Produkte im großen Stil vermarktet.
„Wohltat für die ganze Gegend“
Die Gründung der Chemischen Fabrik kann nicht exakt datiert werden. Erste schriftliche Hinweise auf das Unternehmen „Geucke & Comp.“ liegen für die Jahre 1842/43 vor. Sie nennen die Herren Geucke und Hoffmann, später Lang als Firmeninhaber und die Salzquellen als Motiv für die Entstehung der Fabrikation. Geucke ist Chemiker und Apotheker. Was macht nun die Produktion in ihren Anfängen aus? Vereinfacht gesagt nutzt das Werk die Abfälle der Saline und veredelt sie. Mit der sogenannten Mutterlauge wird durch chemische Umwandlung ein stark bromhaltiges Badesalz gewonnen. Dieses ist nicht nur von hohem Heilwert, wie weithin von Ärzten für die Linderung von Hauterkrankungen, Rheuma und Gicht gelobt, sondern sein Absatz steigert sich auch so rasant, dass das Unternehmen innerhalb weniger Jahre zum größten Arbeitgeber der Umgebung anwächst. 1854 finden dort 300 Menschen Beschäftigung. In Zeiten des Niedergangs der heimischen Leinenproduktion gewinnen die wenigen größeren Fabriken der Region besonders für die ungelernten Arbeiter immer größere Bedeutung. Der schnelle Aufschwung lässt sich auch daran bemessen, dass hier bereits 1847 die erste Dampfmaschine weit und breit zum Einsatz kommt. 1856 bekommt die Chemische Fabrik Neusalzwerk für ihre chemisch-pharmazeutischen und chemisch-technischen Fabrikate die Silberne Medaille der Pariser Weltausstellung verliehen.
Vom Badesalz zum Düngemittel
Mit vielen Inhaberwechseln in den ersten Jahren verändern sich Ausrichtung und Produktpalette der Fabrik. Die einstige Sodafabrik entwickelt sich zur Schwefelsäurefabrik. 1858 nimmt sie die Schwefelkieszechen „Breusina“ in Volmerdingsen und „Vereinigte Johanna Sophie“ in Dehme in Betrieb. Aus dem abgebauten Schwefelkies wird Schwefelsäure gewonnen, das wiederum der Herstellung von Düngemitteln dient. Transportweg ist vor allem die Weser. Es sind Exporte bis nach England und Amerika bezeugt. In den 1860er Jahren ist die Produktionsstätte auf zwei Dampfmaschinen, fünf Dampfkessel, zwölf Schwefelkiesöfen, zehn Öfen für weitere Schwefelsäure-Salze wie Sulfat, Calzin, Chlorkalk, neun Bleikammern, drei Salzsiede- und 24 Bleipfannen und viele Gerätschaften mehr angewachsen. Produziert werden in Reihenfolge ihrer Produktionsmenge: Sulfat, Chlorkalk, Glaubersalz, Salzsäure, Schwefelsäure, Bittersalz, Eisenvitriol, Magnesia, Salpetersäure, Bicarbonat. Das ursprünglich hergestellte Badesalz macht nur noch einen verschwindend geringen Teil der Produktion aus und rangiert gemessen am Firmengewinn ganz unten auf der Skala. Aber so ganz wird es nie aus der Palette verschwinden, denn immerhin gibt es mit den Badehäusern direkte Abnehmer und dem Heilbad Lokalkolorit.
Ende der Glanzjahre
Nach 1867 wird es in den schriftlichen Quellen viele Jahre still um die Chemische Fabrik. Als kleine Notiz findet sich erst wieder im Jahr 1888 die Bekanntgabe, dass die Firma für 42.000 Mark zwangsversteigert wurde.
Anfang des 20. Jahrhunderts wird das gesamte Areal von der Firma Irmer & Elze überbaut. Hier entsteht erneut eine Fabrik mit überregionaler Bedeutung und ein großer Arbeitgeber. In den kommenden 100 Jahre werden hier nun Kompressoren gebaut und in alle Welt exportiert.
Quellen:
Greiwe, Heinrich: Die Chemische Fabrik zu Neusalzwerk, unveröff. Manuskript von 1930/35. Lietz, Gerhard: Der Raum Neusalzwerk / Bad Oeynhausen im Rahmen der brandenburgisch-preußischen Geschichte, in: Schriftenreihe der VHS, H. 1, 1988, S. 1-81. Staatsarchiv Münster. Oberbergamt Dortmund, M 501 / Nr. 1925.