„Oft wissen wir gar nicht, in welcher Krise wir gerade sind“ – unter anderem mit dieser These untermauerte der Bielefelder Sozialpsychologe Andreas Zick seinen Vortrag beim Unternehmerfrühstück der Stadt Bad Oeynhausen. Mit dem Überfall der Hamas auf Israel sei zu der bestehende Krisenlage eine weitere Krise hinzugekommen, die die Menschen verunsichere.
Konkret ging es in Zicks Vortrag um die distanzierte Mitte und die Frage, in wie weit sich in der Mitte der Gesellschaft demokratiegefährdende Einstellungen entwickeln. Oft würde solche Einstellungen gerade durch die Krisen, die die Gesellschaft erschüttern, begünstigt. „Gerade der gesellschaftlichen Mitte kommt eine besondere Funktion zu. Sie sorgt für den Ausgleich.“ Aus diesem Grund habe er in einem aktuellen Forschungsprojekt die Anfälligkeit der Mitte für rechtsextreme Thesen untersucht. Unterm Strich stehe die deutliche Erkenntnis, dass die Frage, ob ganz Deutschland rechtsextrem sei, immer noch mit einem klaren Nein zu beantworten sei.
Sorge würden aber gewisse Tendenzen bereiten, zum Beispiel bei der Frage, ob eine Diktatur unter gewissen Umständen nicht die bessere Staatsform sei. Hier gebe es bei der Studie, die bewusst bei Menschen aus der politischen Mitte durchgeführt wurde, eine Zustimmung von 7 Prozent. Immerhin 16 Prozent der Befragten stimmen der These teils/teils zu.
Für die Politik und die Gesellschaft als Ganzes müsse es darum gehen, welcher Krisenmodus die Richtung vorgeben soll. Für das Beispiel Integration würden die beiden Krisenmodi ‚Abschließen gegenüber Zuwanderung‘ oder ‚Öffnung für Zuwanderung und Integration‘ lauten. „Die Zentrale Frage ist: Welchen Krisenmodus biete ich an?“
Hier komme den Unternehmen eine besondere Bedeutung zu. „Sie können viel tun, um eine Unternehmenskultur zu pflegen, in der sich Demokratie erfahren lässt, in dem Sie zum Beispiel Diskriminierung stoppen und das Anderssein zulassen.“ Es müsse darum gehen, würdevolle Räume zu gestalten, in denen sich alle Menschen unabhängig von der Herkunft mit Fairness begegnen. Diese Räume sollten aktiv angeboten werden und nicht erkämpft werden müssen.
Im Anschluss an den Vortrag leitete Bürgermeister Lars Bökenkröger die Moderation der Diskussion mit der Frage ein, wie Zick als Sozialpsychologe die von vielen Bürgerinnen und Bürgern anscheinend erwartete Allzuständigkeit von Stadt und Staat bewerte, gerade angesichts der Krisen, die die Menschen verunsichern. „Die Krisen schlagen ganz besonders vor Ort bei den Kommunen auf. Das Thema Flüchtlinge und Integration zeigt das ganz aktuell“, sagte Zick und fügte hinzu: „und auch wenn die Kommunen vor Ort mehr Spielraum brauchen, müssen sie auch deutlich machen, dass sie nicht für alle Probleme eine Lösung haben.“ Eine Allzuständigkeit wie sie von den Menschen angenommen wird, gebe es nicht. „Und es kann auch nicht immer Aufgabe der Kommunen sein, dass zu kommunizieren.“ Hier komme der Gesellschaft als Ganzes eine besondere Rolle zu: „Wir müssen wieder Werte wie Respekt und Umgang pflegen“, sagte der Bielefelder Sozialpsychologe Andreas Zick in seinem Schluss-Statement.
Das Unternehmerfrühstück der Stadt Bad Oeynhausen gibt es bereits seit mehr als 10 Jahren. Etwa zwei Mal im Jahr bringt die Verwaltung Unternehmen untereinander ins Gespräch und steht selber als Ansprechpartner zur Verfügung. Auftakt ist jeweils ein Impulsvortrag wie bei der jüngsten Ausgabe von Professor Andreas Zick. Anfang des Jahres war NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur Referentin beim Unternehmerfrühstück. Auch ihr Vorgänger Professor Andreas Pinkwart oder der Konfliktforscher Dr. Christian Mölling waren schon beim Unternehmerfrühstück zu Gast. Zur jüngsten Veranstaltung im Kaiserpalais hatten sich rund 100 Gäste angemeldet.