„Da steckt mehr Kreativität in mir als ich gedacht hatte!“ freut sich Geru Ulrich und betrachtet stolz das von ihm gestaltete persönliche Journal. „Es gab so viele Materialien, mit denen wir experimentieren konnten und es war total informativ!“ Einen ganzen Tag lang war das jüdische Bildungsprogramm Dagesh on Tour zu Gast in Bad Oeynhausen. 23 Schülerinnen und Schüler aus der Sek. II der Europaschule nahmen teil. Dabei erfuhren sie viel Wissenswertes über jüdische Gegenwartskunst und jüdisches Leben in Deutschland und setzten sich auch mit der eigenen Identität auseinander.
„Wir freuen uns, dass wir dieses tolle Projekt nach Bad Oeynhausen holen konnten“, betonen Claudia Jenkes aus dem städtischen Kulturbereich und auch Geschichtslehrer Kai-Uwe Klatz von der Europaschule. Zwei Workshops standen für die Jugendlichen zur Wahl: Im Workshop „Magazin der Ideen“, der in den Räumlichkeiten des Mehrgenerationenhauses stattfand, gestalteten die Jugendlichen unter der Leitung der Installationskünstlerin Sonia Knop ihr eigenes Journal. Im Jugendcafé Sonderfahrt ging es im Workshop „Let´s talk music“ mit der Musikerin Yael Gat um jüdische Musik und ihre Sprachen. Unterstützt wurden die beiden Künstlerinnen von je einer Kunstpädagogin.
Dass es in den Workshops nicht vorrangig um Wissensvermittlung, sondern um persönliche Begegnung und um kreatives Schaffen ging, hat die Schüler zunächst überrascht: „Hier entsteht ein ganz anderer Eindruck von Kunst als im Museum. Plötzlich sind wir selbst die Künstler und dadurch erlebt man die Kunst ganz anders, hat einen anderen Bezug dazu“, erklärt Leon Kuhlmann. Der Workshop habe ihm auch die Augen geöffnet für seine eigene Identität und Persönlichkeit. „Das waren Fragen, die man sich im Alltag nicht stellt, die man sich aber stellen sollte, um zu sich selbst zu finden“, meint er.
Ein zentrales Element ihrer Workshops sei der Dialog, erklärt Kristina Omelchenko, Kunstpädagogin bei Dagesh. „Es geht darum, einen Gesprächraum mit den Jugendlichen zu finden, um sich auf Augenhöhe zu begegnen, sich gegenseitig kennenzulernnen, ohne sich in Schubladen zu stecken. Wir öffnen uns den Schülern und sie öffnen sich ebenfalls und erzählen uns ihre Geschichten.“
Abdullah Hashash freut sich, dass er seine Mitschüler durch das Projekt näher kennengelernt hat. „Wir haben Dinge voneinander erfahren, die wir vorher nicht wussten.“ Seine Mitschülerin Emily Dukkardt ergänzt: „Es war echt spannend! Mir ist klar geworden, wie besonders die jüdische Kultur ist und wie vielfältig die Musik!“ Denn sie sei beeinflusst durch die verschiedene Herkunft jüdischer Menschen – aus dem spanisch-portugiesischen Raum, aus arabischen Staaten oder auch aus Deutschland. Auch Maria Meyer ist begeistert: „Wir haben so viel erfahren über die jüdische Kultur – Dinge, die ich vorher nicht wusste.“ Im Schulunterricht stünden meist nur die negativen Ereignisse im Vordergrund. Das Judentum werde reduziert auf den zweiten Weltkrieg und die Ermordung und Vertreibung jüdischer Bürgerinnen. „Diese Kultur ist für uns überschattet von grausamen Dingen. Hier haben wir die Schönheit und den Reichtum jüdischer Kultur kennengelernt. Und durch die sehr persönliche Präsentation der jungen Künstlerinnen habe ich mich dem Thema viel näher gefühlt.“
Solche Projekte an außerschulischen Lernorten sind enorm wichtig, ist Lehrer Kai-Uwe Klatz am Ende des Tages überzeugt. „Als Europaschule haben wir uns Vielfalt und auch Erinnerungskultur auf die Fahnen geschrieben und das wird bei uns auch gelebt. Begegnung ist wichtig – gerade bei so einer heterogenen Schülerschaft wie der unseren.“ Den kulturellen Reichtum zu entdecken, Lust zu machen auf Vielfalt, das sei schließlich die beste Prophylaxe gegen Intoleranz. Als Geschichtslehrer sei es ihm außerdem wichtig, zu zeigen, dass Geschichte auch hier und heute stattfindet und wir sie mitgestalten können. „Die Schülerinnen gehen als gestärkte Persönlichkeiten aus diesem Tag, da bin ich mir sicher.“