Märchenmuseum sucht Helfer

Vorbereitungen für die Aufklärung des Raubkunst-Verdachts

Das Märchenmuseum inventarisiert seine Sammlung und sucht dafür ehrenamtliche Unterstützer. Sie erhalten die einmalige Möglichkeit, tausende historische Kunstwerke und Alltagsgegenstände kennenzulernen – und können dabei helfen, einen Raubkunstverdacht aufzuklären.

Die Sammlung des Deutschen Märchen- und Wesersagenmuseums muss wissenschaftlich untersucht werden: Im Dezember hatte der Kulturausschuss die Stadt Bad Oeynhausen beauftragt, für dieses Anliegen einen Förderantrag beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) zu stellen. Dies ist nun zum 1. April geschehen. Denn der Museumsgründer Karl Paetow war in den Kunstraub der Nationalsozialisten verstrickt – und der Verdacht steht im Raum, dass er etwa Kunstwerke, Bücher oder Alltagsgegenstände von NS-Deportierten in die Sammlung eingebracht haben könnte. Eine Förderung durch das DZK würde ermöglichen, genau diesem Verdacht umfassend nachzugehen, und zwar mithilfe spezialisierter Kunsthistoriker, so genannter Provenienz-Forscher.

Welche Kunstwerke hat Karl Paetow nach Bad Oeynhausen gebracht?

Geplant ist, dass solch eine fachkundige Person zunächst in Archiven recherchiert. Ab etwa Mitte 2025 soll sie sich dann ausführlicher den Sammlungsbeständen widmen. Für Letzteres muss das Museums vorab eine bestimmte Art von Inventur der über 4000 Exponate Karl Paetows durchgeführt haben. Und diese muss bis Januar 2025 stehen – das ist die Bedingung für eine durchgängige Förderung. Dabei geht es etwa um Fragen wie: Welche Gemälde, Bücher, Grafiken oder Figuren hat der Musemsgründer in die Sammlung eingebracht? Welche stammen aus der Zeit von vor 1945 – schließlich könnten die Exponate aus jener Zeit ja Deportierten und Ermordeten des NS-Regimes gehört haben? Und: In welchen der vielen Schränke, Regale und Schubladenfächer der Sammlungsräume lagern diese?

„Für uns ist eine solche Durchsicht und Inventarisierung der Paetow-Sammlung ein Großprojekt angesichts unserer geringen personellen und finanziellen Ressourcen“, sagt Dr. Hendrik Tieke, Leiter der Städtischen Museen. „Wir leisten sie zusätzlich zur regulären Arbeit im Märchenmuseum und auf dem Museumshof, also zum Beispiel zu unseren Veranstaltungen, der Verwaltung, der Ausstellungsvorbereitung oder dem Märchenfigurenprojekt. Damit wir das schaffen können, sind wir auf die Unterstützung ehrenamtlicher Helfer angewiesen“.

Schließlich wurde der Großteil aller Exponate des Museums jahrzehntelang nur per Hand oder Schreibmaschine in Kladden verzeichnet. Und in diesen Kladden wurde nirgendwo vermerkt, wo genau die Exponate in den Sammlungsräumen des Hauses überhaupt lagern. „Deshalb müssen wir uns einerseits einen umfassenden Überblick verschaffen – und die über 4000 Einträge der Verzeichnisse zu den Paetow-Exponaten in eine Exceltabelle eintippen“, so Dr. Tieke. „Zu vielen dieser Stücke gibt es nämlich wichtige Informationen, die dabei helfen werden, ihre Herkunft zu klären: etwa Künstler, Entstehungsort, Erschaffungsjahr, Material oder Kunststil“. Darüber hinaus hat jedes dieser Exponate eine Inventarnummer – so wie alle anderen Sammlungsstücke des Museums auch. Die große Exceltabelle muss spätestens zu Beginn der angestrebten Förderung am 1. Oktober fertiggestellt sein.

Alle 15.000 Exponate einmal in die Hand genommen

„Außerdem müssen wir nach und nach alle 15.000 Exponate des Museums einmal in die Hand nehmen“, erklärt Dr. Tieke. „Wir müssen dabei deren Inventarnummern vergleichen mit den Inventarnummern der Paetow-Exponate aus jener Excel-Tabelle, oder genauer: mit den Paetow-Exponaten, die aus der Zeit von vor 1945 stammen. Nur so können wir dann auch herausfinden: Wo genau lagern die Stücke des Museumsgründers, die untersucht werden müssen?“.

Für beide Schritte sucht das Museum nun ehrenamtliche Helfer. „Wir bieten allen Interessierten die einmalige Möglichkeit, ein Museum von Innen kennenzulernen und tiefe Einblicke in unsere einzigartige Sammlung zu bekommen mit ihren Exponaten aus vier Jahrhunderten: Dazu gehören etwa historisches Spielzeug, Kupferstiche, Schallplatten, Zeichnungen oder Gemälde“, erklärt Dr. Tieke. „Die Verzeichnisse können unsere Helfer dabei im Museum oder auch zuhause mithilfe von Scans abtippen; die Identifizierung der Paetow-Exponate können sie in den Sammlungsräumen gemeinsam mit uns vornehmen“. Selbst, wer nur ein paar Nachmittage mitmachen kann, ist herzlich willkommen. Auch Oberstufen-Kurse oder Vereine können sich vorübergehend oder längerfristig einbringen.

Die Sammlung des Museums für die Zukunft nutzbar machen

Bei großer Rückmeldung auf diesen Aufruf ist es sogar denkbar, dass Ehrenamtliche die Paetow-Exponate mit hochauflösenden Smartphones oder einfach zu bedienenden Spezial-Kameras fotografieren. Mithilfe solcher Fotos nämlich kann ein Provenienz-Forscher viele Exponate schon vom Rechner aus untersuchen. Doch ob nun mit oder ohne Fotos: Eine entsprechende digitale Inventarisierung im Märchenmuseum wird zukünftige hauseigene Forschungen und Ausstellungen überhaupt erst richtig möglichen machen. Dazu Museumsleiter Tieke: „Momentan können wir unsere riesige Sammlung noch kaum nutzen: Wir wissen bislang ja höchstens ungefähr, wo genau welche Exponate aus unseren Verzeichnissen lagern“.

Interessiere können sich während der Öffnungszeiten beim Museum melden unter: 05731 / 14 34 10 (9-14:30 Uhr) oder per E-Mail. Das Museum hat von Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.